Viele haben mich gefragt was denn eigentlich
genau passiert sei am 26.7.2012.
Ich war mir erst nicht sicher, ob ich es hier
schreiben soll...
Da ich aber eine ganze liebe Mail bekommen habe, dass man
dann alles besser verstehen würde, was ich schreibe, da man sich sonst das
Schlimmste ausmalt, werde ich Euch nun berichten was passiert ist.
Der 26.7.2012 war ein Donnerstag. Ein ganz
normaler Tag.
Ich hatte nachmittags um 15 Uhr einen ganz normalen Termin bei
meiner Ärztin und da auch der errechnete Geburtstermin war, war ich sehr
aufgeregt.
Ich bin freudestrahlend und hibbelig mit meinem dicken Bauch in der
sommerlichen Hitze dort angekommen.
Alles war gut. Ich wurde ans CTG
angeschlossen und wir hörten keine Herztöne. Soweit nicht schlimm, das kannten
wir schon vom Großen, der hatte sich kurz vor Schluss auch öfter mal versteckt.
Als wir dann aber so gar nichts hörten und meine Ärztin unruhig wurde, was für
sie sehr untypisch ist, wusste ich, dass etwas nicht stimmte. Sie hat mich
sofort abgestöpselt und Ultraschall gemacht. Dort konnten wir schon sehen, dass
sich der Kleine nicht mehr bewegte.
Ich konnte und wollte es nicht glauben. Sie
fing an zu weinen und sagte sie ruft einen Krankenwagen, der mich ins
Krankenhaus bringen soll. Ich rief meinen Mann an, dass er sofort kommen soll.
Die Tränen flossen in Strömen und ich sagte immer wieder " Wenn das
stimmt, wenn mein Sohn nicht mehr lebt, dann schaff ich das nicht"
Mein
Mann kam, der Krankenwagen kam und wir fuhren los. Da es die ganze Fahrt über
still war, keiner mich anschaute, keiner sprach und wir ohne Blaulicht und
Martinshorn fuhren und in einem normalen Tempo, wusste ich, dass es zu spät
war.
Ich habe die ganze Fahrt über aus dem Fenster in Wolken geschaut und Gott
angefleht, dass er mir alles nehmen kann, aber nicht mein Kind. Das war die
längste und schwerste Fahrt meines Lebens.
Als wir im Krankenhaus ankamen wurde noch mal
eine Ultraschalluntersuchung gemacht. Von dem Arzt, der 2 Jahre zuvor meinen Großen auf die Welt
geholt hat.
Er schaute sich alles an und schüttelte nur mit dem Kopf. "Es
tut mir leid" sagte er, " das Schlimmste aller Fälle ist eingetreten
und wir können so erst mal nicht erkennen, was da passiert ist".
Das
letzte bisschen Hoffnung, dass ich hatte verschwand. Mein Kind war tot. In
meinem Bauch. Das ist eine Nachricht, die einen nicht nur in Schock versetzt,
sondern alles ändert. Alles.
Wir waren kurz alleine, wurden dann auf ein
Zimmer gebracht. Ich bekam zum Glück ein Einzelzimmer und mein Mann durfte bei
mir bleiben. Ich war mehr als dankbar dafür.
Dann wollte ich, dass sofort ein
Pastor kommt. Ich musste darüber sprechen. Ich musste einen direkten Weg zu
Gott finden und wissen, warum er sowas tut. Der Pastor wusste es nicht. Er
selber zweifelte in diesem Moment sehr stark an Gott. Fragte sich, ob es einen
Gott geben kann, wenn sowas geschieht.
Dann kam der Arzt und klärte mich über alles
Medizinische auf. Die Möglichkeiten, wie ich gebären könne. Er hat mir alles
offen gelassen, auch dafür bin ich bis heute dankbar. Ich wollte nicht warten
bis Wehen einsetzen und dieses Kind natürlich gebären, wenn ich weiß, dass ich
es nicht schreien hören würde und es einfach schlaff wäre.
Ich wollte auch
keine Kaiserschnitt bei dem ich wach bin und alles mitbekomme. Mit dem gleichen
Team wie damals, als ein gesundes lebendes Kind auf die Welt kam.
Also
entschied ich mich für einen Kaiserschnitt unter Vollnarkose und es wurde ohne
Diskussionen einfach so hingenommen.
Etwa eine Stunde später lag ich im OP. Es
war die beste Entscheidung, die ich treffen konnte.
Mein Kind war bereits 2-3
Tage tot.
Ich war bereits vergiftet, habe sofort Antibiotikum bekommen und die
OP dauerte länger als gedacht, so dass mein Mann zwischenzeitlich dachte, ich
sei auch nicht mehr am leben. Das habe ich alles aber erst später erfahren, was
mir noch mal einen großen Schock versetzt hat.
Alles danach war schrecklich.
Die Schmerzen waren
schlimm, weil der Körper sie nicht verdrängt, weil die Glückshormone einfach
fehlen. Jeder packte mich in Watte. Alle kamen rein, keiner schaute mich wirklich
an, jeder sagte „Es tut mir ja so leid. Und dann auch noch am Stichtag“.
Das
alles hat mich wahnsinnig gemacht. Und nebenan im Kreissaal wurde ein Kind nach
dem anderen geboren, ein wahrer Baby-Boom.
Und ich lag da, ohne Kind. Das sind
Gefühle und ein Schmerz, den keiner beschreiben kann. Alles tut weh. Der
Körper, die Seele. Nichts hilft dagegen, einfach nichts.
Das Schlimmste sind
die ersten Nächte gewesen. Man wird plötzlich wach und sucht sein Baby. Doch da
ist nichts. Nichts. Nur eine dunkle Leere und dann setzt der Schmerz ein.
Ein
tiefer gemeiner Schmerz, der wirklich bis ins Mark zu spüren ist. Und dann
kommen die Fragen mit denen man sich beschäftigen muss: Wollen Sie ihr Kind
sehen? Wollen sie eine Obduktion machen lassen? Wie wollen Sie ihn beerdigen?
Das alles kommt einem so unwirklich vor, aber man
muss diese Fragen beantworten. Ich habe es getan. Ich habe mich all diesen
Aufgaben gestellt. Weil ich es musste und wollte.
Mein Sohn Samuel wurde am Donnerstag, den
26.7.2012 um 19:40 Uhr geboren. Er war 54 cm groß, 4.200 Gramm schwer. Er ist 3
Tage zuvor in meinem Bauch gestorben.
Woran? Plötzlicher Kindstod im Mutterleib. Unerklärbar.
Am Freitag, den 10. August 2012 wurde er beerdigt. In einem weiss-blauen
Korb, der aussieht wie ein kleines Babybett mit blauen Sternen, einem blau-weiß
gestreiften Strampler, weißer Mütze, mit zwei kleinen Spieluhren, die nur für
ihn gekauft wurden.
Auf seinem kleinen Grab stehen gelbe Blumen, eine blaue
Windmühle und eine Eule.
Das ist meine Geschichte. Sie ist grauenvoll und
unsagbar traurig. Sie ist erst 10 Wochen alt und doch kommt es mir vor als wäre
ich 10 Jahre gealtert. Alles was in der Zeit passiert ist, ist krank.
Es sollte der schönste Tag meines Lebens werden
und es war der Schlimmste.
Wir Sternenkind-Eltern haben mit das Schlimmste
erlebt und gesehen, was passieren kann. Deswegen kämpfen wir so darum, dass
Tabu-Thema zu brechen. Es gehört zum Leben dazu. Zu unserem, zu dem unserer
Familien, Freunden, Bekannten, Nachbarn.
Wir wollen nicht gemieden werden, weil
das Schicksal uns so mies behandelt hat. Wir wollen weiterleben. Für unsere
Kinder, mit ihnen im Herzen. Traurige, deprimierte Eltern, die deswegen
ausgegrenzt werden, hätten sie sich nicht gewünscht.