Freitag, 14. Dezember 2012

Abendgedanken


Wenn die Dunkelheit kommt und der Schmerz Dich erdrückt,
sollst Du denken an Dein größtes Glück.
Nur wie, wenn ein Teil davon hier,
der andere weg für immer,
das Glück der anderen macht es nur noch schlimmer.
Ein Lächeln, tausend Tränen.
Ich wollte das nur Kurz erwähnen,
damit andere mich sehen und verstehen....


Danke für's zuhören.

Dienstag, 11. Dezember 2012

Weihnachten

Das Weihnachten schwer wird, wusste ich. Das Weihnachten so schwer wird, wusste ich nicht.


Dass es mich so zerreißt war mir nicht bewusst. Die Gedanken kreisen.


Alle sind glücklich und beschwingt, singen Lieder und ich? Ich singe mit. Für meinen Großen.
Wisst ihr wie es ist " Stille Nacht" zu singen ohne zu weinen? Grauenvoll. Schmerzhaft. Krank, pervers, abartig.
Im Hinterkopf der Gedanke: Du wärst 5 Monate alt, Du würdest den ersten Brei essen, vielleicht bald anfangen zu sitzen, würdest lächeln... All das ist immer gegenwärtig.


Weihnachten ist dieses Jahr kein Weihnachten. Ich vergesse die Hälfte, mache alles das was man machen muss für meinen Sohn. Er hat es schon schwer genug, ich kann dieses Fest leider nicht ausfallen lassen.


Es sind Kleinigkeiten, die mich fertig machen. Am Karussell stehen auf dem Weihnachtsmarkt, fröhlich meinem Kind winken, und neben mir eine Mutter mit zwei Kinder stehen haben. Eins an der Hand, eines im Kinderwagen.


Strumpfhosen kaufen, sie nicht finden, fragen wo sie denn liegen: In der Babyabteilung. Also durch die Babysachen, Winterjäckchen, Mützchen, kleine Söckchen durch und Strumpfhosen suchen.
Tapfer sein, nicht ausrasten, nicht von der Welle des Schmerzes erfassen lassen.
Nach Hause fahren, im Auto laut Musik hören, brüllen, schreien, bis die Lunge schmerzt.
Verheult nach Hause kommen, die Welt verfluchen. Durchatmen. Kaffee trinken. Kind aus dem Kindergarten holen.
Das ist mein Leben. Oh, Du schöne Weihnachtszeit!


Momentaufnahmen des Glücks. Und dann wieder große Trauer und Wut auf die Welt. F
ragen beantworten, ob alles gut ist.
Kuchen backen für die Weihnachtsfeier im Kindergarten, sich dabei fragen, wie schaff ich das? Wie lang ist die Feier? Wie halt ich diese paar Stunden aus? Wie reiße ich mich zusammen? Wird das alles aufhören? Oder besser werden?


Ich sehe die Dinge und die Menschen so anders. Ich stehe da manchmal wie in einem Film. Ich sehe sie wie in einem Zeitraffer.
Ich höre sie jammern und sich beschweren über Dinge, die so egal sind und ich nicke. Ich nicke einfach als würde ich zuhören, als wär das alles schlimm. Innerlich denke ich, gottverdammte scheisse, ihr habt doch gar keine Ahnung.


Diskussionen über Weihnachtsgeschenke, was ist zu viel und zu teuer, was schenkt man, was nicht, wo feiert man, was isst man, was wünscht man sich.


Was soll ich mir wünschen? Soll ich darauf ehrlich antworten? Ich wünsche mir mein Kind. Hier bei mir. In meinem Arm. Lebendig.


Wenn ich einen einzigen magischen Wunsch hätte: Ich würde alle Sternenkinder zum Leben erwecken. Jedes einzelne.


Weihnachten ist nicht die Zeit der Geschenke. Es ist die Zeit der Liebe. Schenkt Euren Kindern Liebe und Freude. Wählt Geschenke mit Bedacht aus, nicht nach dem Preis. Geld macht nicht glücklich, es beruhigt nur.



Ich wünsche Euch allen trotzdem eine schöne Adventszeit und falls wir uns nicht mehr lesen ein schönes Weihnachtsfest.

Sonntag, 25. November 2012

Erinnerung

Heute vor einem Jahr begann dein kurzes Leben.
Ich kann und will das nicht vergessen, halte daran fest.
Heute vor einem Jahr hielt ich diesen Test in der Hand und war der glücklichste Mensch der Welt.


Glücklich, stolz, zutiefst zufrieden. Unsere kurze Zeit begann. Es war so wundervoll.... Weihnachten war traumhaft alleine mit dem Gedanken das nächste Fest zu viert zu feiern.


Und jetzt? Jetzt steh ich hier. In voller Trauer und Schmerz. Ein Jahr später.... Ich soll alles endlich genießen wurde mir gesagt. Wie soll ich das können? Mein Kind fehlt! Die Lücke schmerzt so sehr.... Wenn ich könnte würde ich Weihnachten dieses Jahr einfach ausfallen lassen. Doch ich schmücke das Haus und singe tapfer Weihnachtslieder, um dem Großen eine schöne Zeit zu machen.


Das alles ist schwer zu verstehen für Außenstehende. Ich wirke glücklich und als ob es mir gut geht. Doch so ist es nicht. Aber was bringt es dass zu zeigen wenn es heißt "alles wird gut". Es wird nichts gut. Die Erinnerung an solche Tage wie heute sind da. Die werden nie verschwinden, weil das alles ist was ich noch habe, was mir bleibt.

Die Zeit, die wir hatten war kurz, voller Hoffnung und Liebe. Sie endete so schnell und grausam. Morgen wärest Du 4 Monate alt. Ich vermisse Dich unendlich und diesen Schmerz kann mit keiner nehmen oder besser machen.


Lasst mich einfach sein wie ich bin. Die alte bekloppte, die herzensgute und die verletzte tieftraurige, die fast alles vergisst und chaotisch ist, die Mutter des toten Kindes, denn das bin ICH.


Ich habe mir das alles nicht so ausgesucht. Es passiert so viel um mich herum, ich komm einfach nicht mehr mit. Also lasst mich bitte einfach weinen, wenn mir danach ist und kommentiert es nicht.

Donnerstag, 15. November 2012

Große Emotionen

Am Sonntag werde ich 30. Die magische Zahl.


Ich habe lange Zeit hin und her überlegt, ob ich diesen Geburtstag feiern soll oder nicht und wenn wie? Groß? Klein? Wo? Was?
Ich habe mich entschlossen eine riesige Feier zu machen mit allen Leuten, die mir in meiner schwersten Zeit beigestanden haben um mich zu bedanken, um zu zeigen, dass ich nicht aufgebe, sondern weiter mache auch wenn es immer noch so oft so verdammt schwer ist. 


Ich hatte Pläne und Ziele, die ich bis zu meinem 30. erreicht haben wollte. Fast alles habe ich geschafft. Ich blicke auf sehr schwere Jahre zurück. Auf viel Traurigkeit und Schmerz, auf viel Glück, auf viel Liebe und auf diesen schweren Schicksalsschlag, der alles andere irgendwie nicht mehr so wichtig erscheinen lässt. 


Ich habe immer gesagt ich mache eine große Party an meinem 30.Geburtstag. 
Anfang des Jahres dachte ich noch, dass ich dies mit zwei Söhnen tun würde.


Ich war stolz zweifache Mutter zu werden und zu sein. Das hätte mein Glück perfekt gemacht.
Dieser Traum ist zerplatzt wie eine Seifenblase.


Ich bin zweifache Mutter mit einem Kind um mich herum. Das andere in Gedanken dabei, aber nicht wirklich greifbar. Grauenvoll schmerzhaft und schrecklich. 


Ich weiß, dass diese Feier eine Achterbahn der Emotionen wird. Viele Leute habe ich seit diesem ganzen Mist nicht mehr gesehen. Es kommen Menschen, die mir sehr am Herzen liegen und ich weiß, dass wenn ich die Tür öffne, werde ich mich noch im Griff haben.
Was dann passiert? Ich weiß es nicht. Tränenfluss, Schluchzen, wieder aufrichten, nachschminken und Prosecco auf Ex trinken. Höchstwahrscheinlich.


Warum ich mir das antue? Weil ich es muss und will. Es ist mein Weg damit umzugehen. Mein Weg die Trauer zu bewältigen. Mein Weg um dem Schicksal zu sagen: Du kannst mich mal! Ich bin 30 und lebe!!! Du hast mir mein Kind genommen, aber nicht mich! Ich gebe nicht auf! Ich bin eine Mutter und Mütter kämpfen! Jetzt erst recht. 


30... Die magische Zahl eben...

Donnerstag, 1. November 2012

Schwere Entscheidungen

Gestern waren wir unterwegs einen Grabstein aussuchen.
Hört sich einfach an, ist aber total schwer.


Man steht dort rum und guckt und läuft umher, schaut sich gefühlte 1 Millionen Steine an und doch ist nichts dabei was einem irgendwie auf den ersten Blick gefällt. Man schaut auf die Steine und denkt: " Hm... Du sollt also auf das Grab meines Sohnes. Passt Du dahin? Will ich Dich dort jedes mal sehen? Würdest Du IHM gefallen?" 


Tatsache ist, dass was bleibt für uns ist die Erinnerung und die Stelle an der wir ihn besuchen können und diese soll so schön wie nur möglich sein.


Nach langem hin und her haben wir einen passenden Stein gefunden von dem wir denken, dass er dort hinpasst und auch etwas kindlich aussieht. Aber dann ist man ja leider noch lange nicht fertig.
Es muss ja noch was drauf auf den Stein. Ich habe zum Glück die Möglichkeit selber etwas zu malen, was dann darauf gemacht wird. Dafür bin ich so dankbar. Es ist ein Stück von mir, dass ich dort mit verewigen kann. Ein Wegbegleiter, wenn man so will.


Und als wir dann durch waren beim Steinmetz da kam es wieder, das schwarze tiefe Loch. Das Warum. Das abartige Gefühl, dass alles, was wir haben ein paar Fotos und ein Grab sind. Und die Erinnerung an 9 Monate Schwangerschaft.


Tiefe Trauer und große Wut machen sich breit, gefolgt von einem Zorn auf die glücklichen Menschen um einen herum. Man will nichts hören und sehen. Keinen sprechen müssen, sich verkriechen und einfach schreien wollen "Lasst mich einfach alle in Ruhe! Ich will keine Hilfe und keinen Trost und ich will keine glücklichen Menschen sehen und erst recht keine, die sich über Probleme beschweren, die KEINE sind!!!" Doch das geht nicht. Ich muss raus in diese andere Welt, zu der ich manchmal nicht mehr gehöre und ein Schauspiel spielen.
Mein Kind aus dem Kiga abholen als wäre nichts gewesen. Als hätte ich einen ganz normalen Tag gehabt.


Wenn ich gefragt werde, ob alles gut ist, sag ich einfach ja. Ich will nichts erklären müssen und diese klaffende Wunde noch tiefer einreissen lassen. 


Und jetzt sitze ich hier, alles tut mir irgendwie weh, mein Schädel brummt, ich fühle mich krank und bin mit allem überfordert. Eigentlich möchte ich nichts machen. Nur stumpf daliegen. Aber es geht nicht. Ich muss. Aber vielleicht  ist dieses "müssen" gut, damit ich weitergehe und nicht stehen bleibe. Ich weiß es nicht mehr.....


Ich kämpfe den Kampf zwischen aufgeben und weitermachen. Und immer wenn ich denke er ist vorbei fängt er wieder von vorne an. 


Warum ich das schreibe? Weil es Menschen gibt, die genau das gleiche fühlen und es nicht in Worte fassen können, die aber jetzt hier vor sitzen, lesen, weinen und sagen "Ja, so ist es." Und dann wissen sie, dass sie nicht alleine sind und es geht ihnen besser. Damit schaffe ich es auch andere zum kämpfen zu bringen. Mehr will ich gar nicht. 

Mittwoch, 17. Oktober 2012

Das Leben geht eben weiter

Morgen ist es 12 Wochen her.
Immer noch unvorstellbar, dass so kurze Zeit einem so lang vorkommen kann.


Das Leben geht eben weiter. Wir gehen weiter...  
Das mag einigen komisch vorkommen, aber so ist es. Wir haben uns damit abgefunden, dass er nicht bei uns ist. Der Schmerz ist immer noch da, er wird wohl nie verschwinden, aber er ist nicht mehr so doll. Jedenfalls nicht immer.


Wir wissen, dass er immer in unserem Herzen bei uns ist. Das hilft. Wir reden offen über das Thema, wann immer es möglich ist, auch das hilft. Wir machen kein Geheimnis daraus, was uns passiert ist. Um unangenehme Situationen zu vermeiden sagen wir es auch meist direkt damit niemand in ein "Fettnäpfchen" treten kann oder sich unwohl fühlt. 


Tatsache ist, dass wir nichts ändern können. Und egal wie ich es drehe und wende, es wäre so oder so passiert.


Ich habe lange die Schuld bei mir gesucht und überlegt, ob es besser gewesen wäre wie bei dem Großen einen Kaiserschnitt zu machen, dann wäre er ein paar Tage früher geboren.
Aber ich glaube selbst dann wäre es passiert, weil es so sein sollte. Das ist nicht schön, aber beruhigend.
Ich weiß, dass niemand Schuld hat und kann dadurch besser damit umgehen. 


Ich möchte mich nicht mehr verkriechen und Angst haben müssen anderen zu begegnen. Ich gehe raus, lebe mein Leben, geniesse mein Leben.
In Gedanken immer bei beiden Kindern.


Es bringt mir nichts zu überlegen, was wäre wenn er jetzt da wäre. Er ist es nicht.


Natürlich kommen diese Gedanken, man kann nichts dagegen tun, also versuche ich sie einfach besser zu verarbeiten.
Ich mache viel mit dem Großen, beschäftige mich mehr mit anderen kleinen Kindern, erfreue mich an ihrer Existenz, geniesse ihr unbeschwertes Lachen, das Glück in ihren Augen, den Stolz der Mütter. Das macht mich irgendwie glücklich. 


Ich blicke mittlerweile auch anders auf Babybäuche.
Ich bin immer noch neidisch auf das was sie haben, auf das was mir genommen wurde, aber größtenteils sehe ich mittlerweile die Hoffnung und Freude auf ein neues Leben. Ich denke mir eher "Passt auf Euch auf. Geniesst die Zeit und all das was kommt." Ich kann es wieder hören, wenn sie berichten von ihrer Schwangerschaft, stolz verkünden welches Geschlecht das Kind haben wird, ich will es sogar wissen!


Es tut weh, ja, aber es geht. Ich muss dann meistens weinen, vor Glück und Schmerz, aber das ist ok. Ich bin eben so. Ich werde mich deswegen nicht verstellen und meine Tränen unterdrücken. 


So vieles was wir haben wissen wir nicht zu schätzen, weil wir es verlernt haben. Wir nehmen zu viel als selbstverständlich an. Ich habe es auch erst jetzt verstanden was es eigentlich bedeutet schwanger zu sein, wie wertvoll diese neun Monate sind, wie dankbar man für ein gesundes Kind sein sollte, auch wenn es stressig und nervig sein kann.


Ich habe so vieles einfach so hingenommen, das war falsch. Das Leben ist kostbar und kurz. Und ich bin froh, dass ich noch lebe und eine Mutter sein kann und meinem Sohn die Welt erklären kann...
Auch das mag für viele komisch klingen, aber es ist so. Eine Mutter, die ihr Kind verloren hat, egal in welchem Alter, in welcher Woche der Schwangerschaft sieht die Welt mit ganz anderen Augen.


Wir sehen Dinge anders. Wir hinterfragen vieles anders und wir sehen viele Menschen anders. Wir erkennen teilweise Menschen mit einem schweren Schicksal auf einen Blick.
Es sind bestimmte Gesten, Mimiken, die man einfach erkennt, wenn man selber einen schweren Weg gehen musste.
Man versteht einige Menschen besser und manche gar nicht mehr. Aber auch das ist das Leben.


Und ich will leben! Ich möchte die Welt sehen, sie meinem Sohn zeigen, ich möchte feiern, das Leben einfach geniessen, ich möchte nicht immer Rücksicht nehmen und überlegen müssen, ob ich gemocht werde oder nicht, ob das alles richtig ist was ich tue. Das Leben ist jetzt! 


Und ja, das aller wichtigste: Ich möchte ein drittes Kind! Ich zähle die Monate, Wochen, Tage bis ich wieder schwanger werden darf. Ich bin mir darüber im klaren, dass ich Angst haben werde, das ich durchdrehen werde, aber ich will es. Ich muss es.
Nicht um die Lücke zu ersetzen. Nein, das wird nicht gehen. Ich wollte immer eine große Familie. Ich werde mich davon nicht abschrecken lassen. Das Schicksal kann mich mal kreuzweise.


Ich gehe weiter, ich lebe weiter und ich werde noch mal Mutter. Das ist mein Ziel, mein Traum, mein Weg. Und bis dahin geniesse ich jeden Tag so gut wie es geht. Auch die schlechten Tage, denn auch die gehören zum Leben.


Ich stelle mich jeder Herausforderung und Aufgabe, denn alles was noch kommt, kann nicht mehr so schwer sein. 

Mittwoch, 10. Oktober 2012

Ohne Worte

Heute nur ein Link zu einer tollen Seite mit guten Infos und Tipps.
Ich habe momentan nichts zu berichten. Ich bin einfach nur leer....

http://land-der-sternenkinder.de/index.html

Freitag, 5. Oktober 2012

Was ist passiert am 26.7.2012?


Viele haben mich gefragt was denn eigentlich genau passiert sei am 26.7.2012.


Ich war mir erst nicht sicher, ob ich es hier schreiben soll...
Da ich aber eine ganze liebe Mail bekommen habe, dass man dann alles besser verstehen würde, was ich schreibe, da man sich sonst das Schlimmste ausmalt, werde ich Euch nun berichten was passiert ist.



Der 26.7.2012 war ein Donnerstag. Ein ganz normaler Tag.


Ich hatte nachmittags um 15 Uhr einen ganz normalen Termin bei meiner Ärztin und da auch der errechnete Geburtstermin war, war ich sehr aufgeregt.
Ich bin freudestrahlend und hibbelig mit meinem dicken Bauch in der sommerlichen Hitze dort angekommen.


Alles war gut. Ich wurde ans CTG angeschlossen und wir hörten keine Herztöne. Soweit nicht schlimm, das kannten wir schon vom Großen, der hatte sich kurz vor Schluss auch öfter mal versteckt.


Als wir dann aber so gar nichts hörten und meine Ärztin unruhig wurde, was für sie sehr untypisch ist, wusste ich, dass etwas nicht stimmte. Sie hat mich sofort abgestöpselt und Ultraschall gemacht. Dort konnten wir schon sehen, dass sich der Kleine nicht mehr bewegte.


Ich konnte und wollte es nicht glauben. Sie fing an zu weinen und sagte sie ruft einen Krankenwagen, der mich ins Krankenhaus bringen soll. Ich rief meinen Mann an, dass er sofort kommen soll. Die Tränen flossen in Strömen und ich sagte immer wieder " Wenn das stimmt, wenn mein Sohn nicht mehr lebt, dann schaff ich das nicht"


Mein Mann kam, der Krankenwagen kam und wir fuhren los. Da es die ganze Fahrt über still war, keiner mich anschaute, keiner sprach und wir ohne Blaulicht und Martinshorn fuhren und in einem normalen Tempo, wusste ich, dass es zu spät war.


Ich habe die ganze Fahrt über aus dem Fenster in Wolken geschaut und Gott angefleht, dass er mir alles nehmen kann, aber nicht mein Kind. Das war die längste und schwerste Fahrt meines Lebens. 


Als wir im Krankenhaus ankamen wurde noch mal eine Ultraschalluntersuchung gemacht. Von dem Arzt, der 2 Jahre zuvor meinen Großen auf die Welt geholt hat.
Er schaute sich alles an und schüttelte nur mit dem Kopf. "Es tut mir leid" sagte er, " das Schlimmste aller Fälle ist eingetreten und wir können so erst mal nicht erkennen, was da passiert ist".


Das letzte bisschen Hoffnung, dass ich hatte verschwand. Mein Kind war tot. In meinem Bauch. Das ist eine Nachricht, die einen nicht nur in Schock versetzt, sondern alles ändert. Alles. 


Wir waren kurz alleine, wurden dann auf ein Zimmer gebracht. Ich bekam zum Glück ein Einzelzimmer und mein Mann durfte bei mir bleiben. Ich war mehr als dankbar dafür.
Dann wollte ich, dass sofort ein Pastor kommt. Ich musste darüber sprechen. Ich musste einen direkten Weg zu Gott finden und wissen, warum er sowas tut. Der Pastor wusste es nicht. Er selber zweifelte in diesem Moment sehr stark an Gott. Fragte sich, ob es einen Gott geben kann, wenn sowas geschieht. 


Dann kam der Arzt und klärte mich über alles Medizinische auf. Die Möglichkeiten, wie ich gebären könne. Er hat mir alles offen gelassen, auch dafür bin ich bis heute dankbar. Ich wollte nicht warten bis Wehen einsetzen und dieses Kind natürlich gebären, wenn ich weiß, dass ich es nicht schreien hören würde und es einfach schlaff wäre.
Ich wollte auch keine Kaiserschnitt bei dem ich wach bin und alles mitbekomme. Mit dem gleichen Team wie damals, als ein gesundes lebendes Kind auf die Welt kam.
Also entschied ich mich für einen Kaiserschnitt unter Vollnarkose und es wurde ohne Diskussionen einfach so hingenommen.


Etwa eine Stunde später lag ich im OP. Es war die beste Entscheidung, die ich treffen konnte.


Mein Kind war bereits 2-3 Tage tot.
Ich war bereits vergiftet, habe sofort Antibiotikum bekommen und die OP dauerte länger als gedacht, so dass mein Mann zwischenzeitlich dachte, ich sei auch nicht mehr am leben. Das habe ich alles aber erst später erfahren, was mir noch mal einen großen Schock versetzt hat.


Alles danach war schrecklich.
Die Schmerzen waren schlimm, weil der Körper sie nicht verdrängt, weil die Glückshormone einfach fehlen. Jeder packte mich in Watte. Alle kamen rein, keiner schaute mich wirklich an, jeder sagte „Es tut mir ja so leid. Und dann auch noch am Stichtag“.
Das alles hat mich wahnsinnig gemacht. Und nebenan im Kreissaal wurde ein Kind nach dem anderen geboren, ein wahrer Baby-Boom.


Und ich lag da, ohne Kind. Das sind Gefühle und ein Schmerz, den keiner beschreiben kann. Alles tut weh. Der Körper, die Seele. Nichts hilft dagegen, einfach nichts.


Das Schlimmste sind die ersten Nächte gewesen. Man wird plötzlich wach und sucht sein Baby. Doch da ist nichts. Nichts. Nur eine dunkle Leere und dann setzt der Schmerz ein.
Ein tiefer gemeiner Schmerz, der wirklich bis ins Mark zu spüren ist. Und dann kommen die Fragen mit denen man sich beschäftigen muss: Wollen Sie ihr Kind sehen? Wollen sie eine Obduktion machen lassen? Wie wollen Sie ihn beerdigen?


Das alles kommt einem so unwirklich vor, aber man muss diese Fragen beantworten. Ich habe es getan. Ich habe mich all diesen Aufgaben gestellt. Weil ich es musste und wollte.


Mein Sohn Samuel wurde am Donnerstag, den 26.7.2012 um 19:40 Uhr geboren. Er war 54 cm groß, 4.200 Gramm schwer. Er ist 3 Tage zuvor in meinem Bauch gestorben.
Woran? Plötzlicher Kindstod im Mutterleib. Unerklärbar.


Am Freitag, den 10. August 2012 wurde er beerdigt. In einem weiss-blauen Korb, der aussieht wie ein kleines Babybett mit blauen Sternen, einem blau-weiß gestreiften Strampler, weißer Mütze, mit zwei kleinen Spieluhren, die nur für ihn gekauft wurden.


Auf seinem kleinen Grab stehen gelbe Blumen, eine blaue Windmühle und eine Eule.


Das ist meine Geschichte. Sie ist grauenvoll und unsagbar traurig. Sie ist erst 10 Wochen alt und doch kommt es mir vor als wäre ich 10 Jahre gealtert. Alles was in der Zeit passiert ist, ist krank.


Es sollte der schönste Tag meines Lebens werden und es war der Schlimmste.


Wir Sternenkind-Eltern haben mit das Schlimmste erlebt und gesehen, was passieren kann. Deswegen kämpfen wir so darum, dass Tabu-Thema zu brechen. Es gehört zum Leben dazu. Zu unserem, zu dem unserer Familien, Freunden, Bekannten, Nachbarn.


Wir wollen nicht gemieden werden, weil das Schicksal uns so mies behandelt hat. Wir wollen weiterleben. Für unsere Kinder, mit ihnen im Herzen. Traurige, deprimierte Eltern, die deswegen ausgegrenzt werden, hätten sie sich nicht gewünscht. 

Mittwoch, 3. Oktober 2012

Alles neu

Nun sind wir umgezogen.


Es war schwer das alte Heim zu verlassen.
Mein Großer hat dort seine ersten 2 Jahre verbracht, das prägt einen doch ganz schön.


Es stecken so viele liebevolle Erinnerungen in diesem Haus. Ich habe dort die gesamte zweite Schwangerschaft verbracht und bereits ein Babyzimmer eingerichtet. Und nun mussten wir alles wieder abbauen.
Das hätten wir eh irgendwann tun müssen, aber so war es irgendwie so endgültig und unter Zwang.


Wir waren beide sehr angespannt, wollten nicht, dass jemand ausser uns die Sachen transportiert.
Wir hatten zu viel Angst dass etwas kaputt gehen könnte, dass die Erinnerung irgendwie zerstört wird, was eigentlich totaler Blödsinn ist.


Ich hatte besonders Angst um meine beiden Gipsabdrücke meiner Babybäuche. Das ist alles was ich in den Händen halten kann neben den Ultraschallbildern und Fotos nach der Geburt. 


Als dann alles aus dem Zimmer raus war, war es ein bedrückendes Gefühl.
Der Raum wirkte so groß, kahl und leer.


Der Abschied war schwerer als gedacht... Diese Zeit hinter mir zu lassen fällt mir schwer, auch wenn ich weiß, dass es jetzt besser wird mit den neuen Räumlichkeiten.
Es ist ein neuer Abschnitt mit neuer Hoffnung und doch tut es weh das alte zurückzulassen.


Als ich das Babybett im Hänger sah musste ich mich zusammenreissen. Das ging noch. Als aber dann der neue, nie benutzte MaxiCosi aus dem neuen, nie benutzten Quinny raus musste und ohne Baby transportiert werden musste, wurde es hart.


Das tat verdammt weh ihn so stehen zu sehen, so unberührt und leer.
Es hätte alles anders sein sollen. Die unbenutzte, bereits aufgebaute Wippe mit der kleinen Eule wurde auch wieder eingepackt. 


Das ist alles nicht richtig. Und es gibt viel zu viele von uns Sternenkind-Eltern. Und immer wieder wird das Thema totgeschwiegen. Ich will das nicht! Ich will dieses elendige Schweigen brechen! Ich will, dass auch wir offen darüber reden können und unserer Trauer Raum geben können ohne diese Blicke, ohne in Watte gepackt zu werden!


Wir brauchen keine Sprüche wie "Ihr seid doch noch so jung und habt schon ein Kind" oder "Mit der Zeit wird alles besser".
Sowas wird nicht besser und auch wenn wir jung sind: Dieses Kind fehlt!!!! Es ist nicht da!


Ich weiß, dass diese Sätze meist nicht böse gemeint sind, aber sie helfen uns nicht! Ein "verdammte Scheisse" wäre uns lieber.


Nehmt uns bitte so wie wir sind, so, wie uns das Schicksal verändert hat.
Und nehmt uns nicht übel, dass wir manchmal kalt und hart sind. Wir wissen jetzt wie kurz das Leben ist und wie grausam es sein kann. Das macht einen anderen Menschen aus uns. Anders als wir vorher waren. Wir sehen die Welt manchmal mit ganz anderen Augen. Und wenn viele uns zuhören würden anstatt uns zu blocken, weil wir nicht mehr in ihr Weltbild passen, dann würden sie verstehen warum wir sind wie wir sind.


Hinter jedem Menschen steckt eine Geschichte, ein Schicksal. Keiner ist ohne Grund so wie er ist. Das vergessen wir leider alle viel zu oft...

Mittwoch, 26. September 2012

Mein Engel

Mein kleiner Engel,



morgen wärst Du 9 Wochen alt. Heute ist der 26. Ich hasse diese Zahl! Weil ich Dich an einem 26. habe gehen lassen müssen obwohl Du geboren werden solltest.


Unser Haus ist fast fertig, wir ziehen bald um und Papa macht alles hübsch. 
Wir schleichen um Dein Zimmer herum, wissen nicht recht was wir jetzt aus dem Raum machen sollen. Es ist jetzt erstmal ein Bastel- und Nähzimmer und doch ein Kinderzimmer irgendwie, jedenfalls für uns. 


Gestern habe ich angefangen Dein altes Zimmer in Kisten zu packen. So viele unbenutzte noch eingepackte Sachen, Spielzeug, dass Du nie sehen durftest, eine Spieluhr, die Du nie hören durftest. Selbst Dein Schlafsack lag noch auf dem Bett als würde er darauf warten benutzt zu werden. 


Du fehlst uns hier überall. Wir vermissen dich so. Der Regen und das dunkle Herbstwetter machen es nur noch schlimmer.
Wir haben gar nicht so viel Tränen, wie wir gern vergießen würden. Jede Nacht starre ich in den Himmel und denke an Dich, Träume, dass Du da bist, wache auf und es ist still. Und doch bist Du immer bei uns, in unserem Herzen und in Gedanken.


Ich liebe Dich, mein Engel, egal wo Du bist.
Deine Mama

Mittwoch, 19. September 2012

Das ist jetzt also mein Leben

Diese Woche ist es zwei Monate her und es kommt mir immer noch wie Jahre vor.


Es ist so viel passiert in dieser kurzen Zeit. Es hat sich so vieles geändert, negativ, aber auch positiv. 


Dadurch, dass ich meine Trauer immer und überall zulasse ist es ein wenig leichter geworden damit umzugehen. Aber auch nur ein wenig...


Wenn ich manchmal irgendwo zu Besuch bin und es sitzen Schwangere dabei, die auch das zweite Kind erwarten, von ihren Plänen sprechen und glücklich sind, dann denk mir "Ihr habt es gut. Ihr habt noch Pläne, strahlt vor Euch hin, habt die Hoffnung, dass alles gut gehen wird und ich sitze hier, kenne die Gespräche, das Glücksgefühl, die Aufregung, die Pläne und habe nichts davon erreicht."


Das ist jetzt mein Leben. Eine zerplatzte Seifenblase.


Ich blicke zurück mit Schmerz und Trauer. Habe zwei grauenvolle Tage jedes Jahr, die mich daran erinnern, an diese Hoffnungen, Träume, Pläne, die ich mit meinem Engel begraben musste. Es ist eine ganze Welt, mein ganzes neues Leben, dass ich mit ihm habe gehen lassen.


Ich möchte bei diesen Gesprächen, wenn ich gefragt werde wie viele Kinder ich habe, immer sagen: " Ich habe zwei Kinder. Es ist nicht lange her, dass ich hier so saß wie ihr. Ich war so glücklich. Aber ich durfte es nicht bleiben.... Es war uns nicht gegönnt ein zweites Kind zu haben. Noch nicht." Aber ich schweige.


Ich unterhalte mich anderweitig, überhöre das Meiste von dem was sie sagen, weil ich es nicht hören will. Sie müssen das nicht hören, ich will es nicht aussprechen.
Sie sollen ihr Glück geniessen und ich hoffe weiter, dass bei ihnen alles gut geht.
Verdrängungsmechanismus eben. Funktioniert manchmal sehr gut.


Und dann gibt es Tage wie gestern, wo mich jemand ansprach, mein Großer wäre so toll, wir sollten bald ein Zweites hinterher bekommen. Und ich steh dort erst in Schockstarre und denke "Wenn Du wüsstest..." Und dann MUSS es raus!


Ich bin auf ihn zu und habe es direkt und offen gesagt, dass es erst 8 Wochen her ist, dass wir eigentlich einen zweiten Sohn hätten.
Ich weiß, dass dann das Mitleid kommt und es kam auch.
Es kamen die Entschuldigungen, der Schock, die Trauer.
Dabei konnte der Mann doch auch nichts dafür, er meinte es nur gut und nett und konnte ja nicht ahnen, dass uns dieser schwere Weg auferlegt wurde.


Der größte Schock allerdings war für ihn - so wie für viele andere auch -, dass ich so offen damit umgehe. Das ich es knallhart ausspreche. Und warum sollte ich es nicht? Wenn ein alter Mensch stirbt ist es in aller Munde, wenn ein Baby stirbt wird es totgeschwiegen, dabei gehört doch auch das zum Leben dazu.

Tja und das ist jetzt mein Leben: Schwanken zwischen großem Glück und tiefer Traurigkeit. Wann was überwiegt ist schwer zu sagen.
Geniessen und bereuen. Mut haben und zugleich Angst. Organisiert und total chaotisch. Fassaden aufbauen und sie bei Freunden wieder fallen lassen. Menschen mit anderen Augen sehen, sie verstehen und doch wütend auf sie zu sein. Hoffnung und Leben sehen und doch hoffnungslos sein. Schwangere Freundinnen sehen, sich freuen und doch so absolut neidisch und verletzt sein, dass sie das haben, was ich nicht hab.
Immer noch ICH sein, aber doch ganz anders. Gott verfluchen und trotzdem dankbar sein für das, was er mir gegeben hat. 


Das ist mein neues Leben. Scheisse und trotzdem irgendwie perfekt, so wie es ist. 

Das Märchen von der traurigen Traurigkeit


Irgend ein kluger Mensch hat einmal gesagt:
"Trauer ist der Preis, den man für die Liebe bezahlen muß!"
Dem kann ich nur zustimmen.

Das Märchen von der traurigen Traurigkeit
Inge Wuthe in: Alle Farben dieser Welt

Es war einmal eine kleine Frau, die den staubigen Feldweg entlang kam. Sie war wohl schon recht alt, doch ihr Gang war leicht, und ihr Lächeln hatte den frischen Glanz eines unbekümmerten Mädchens. Bei der zusammengekauerten Gestalt blieb sie stehen und sah hinunter. Sie konnte nicht viel erkennen. Das Wesen, das da im Staub des Weges saß, schien fast körperlos. Es erinnerte an eine graue Flanelldecke mit menschlichen Konturen.

Die kleine Frau bückte sich ein wenig und fragte: "Wer bist du?" Zwei fast leblose Augen blickten müde auf. "Ich? Ich bin die Traurigkeit", flüsterte die Stimme stockend und so leise, dass sie kaum zu hören war. "Ach, die Traurigkeit!" rief die kleine Frau erfreut aus, als würde sie eine alte Bekannte begrüßen.

"Du kennst mich?" fragte die Traurigkeit misstrauisch. "Natürlich kenne ich dich! Immer wieder einmal hast du mich ein Stück des Weges begleitet."

"Ja, aber...", argwöhnte die Traurigkeit, "warum flüchtest du dann nicht vor mir? Hast du denn keine Angst?"

"Warum sollte ich vor dir davonlaufen, meine Liebe? Du weißt doch selbst nur zu gut, dass du jeden Flüchtigen einholst. Aber, was ich dich fragen will: Warum siehst du so mutlos aus?"

"Ich ... ich bin traurig", antwortete die graue Gestalt mit brüchiger Stimme. Die kleine, alte Frau setzte sich zu ihr. "Traurig bist du also", sagte sie und nickte verständnisvoll mit dem Kopf. "Erzähl mir doch, was dich so bedrückt." Die Traurigkeit seufzte tief. Sollte ihr diesmal wirklich jemand zuhören wollen? Wie oft hatte sie sich das schon gewünscht.

"Ach, weißt du", begann sie zögernd und äußerst verwundert, "es ist so, dass mich einfach niemand mag. Es ist nun mal meine Bestimmung, unter die Menschen zu gehen und für eine gewisse Zeit bei ihnen zu verweilen. Aber wenn ich zu ihnen komme, schrecken sie zurück. Sie fürchten sich vor mir und meiden mich wie die Pest. Die Traurigkeit schluckte schwer. "Sie haben Sätze erfunden, mit denen sie mich bannen wollen. Sie sagen: Papperlapapp, das Leben geht weiter. Und ihr falsches Lachen führt zu Magenkrämpfen und Atemnot. Sie sagen: Gelobt sei, was hart macht. Und dann bekommen sie Herzschmerzen. Sie sagen: Man muß sich nur zusammenreißen. Und sie spüren das Reißen in den Schultern und im Rücken. Sie sagen: nur Schwächlinge weinen. Und die aufgestauten Tränen sprengen fast ihre Köpfe. Oder aber sie betäuben sich mit Alkohol und Drogen, damit sie mich nicht fühlen müssen."

"Oh ja", bestätigte die alte Frau, "solche Menschen sind mir schon oft begegnet." Die Traurigkeit sank noch ein wenig mehr in sich zusammen. "Und dabei will ich den Menschen doch nur helfen. Wenn ich ganz nah bei ihnen bin, können sie sich selbst begegnen. Ich helfe ihnen, ein Nest bauen, um ihre Wunden zu pflegen. Wer traurig ist, hat eine besonders dünne Haut. Manches Leid bricht wieder auf wie eine schlecht verheilte Wunde, und das tut sehr weh... Aber nur, wer die Trauer zuläßt und all die ungeweinten Tränen weint, kann seine Wunden wirklich heilen. Doch die Menschen wollen gar nicht, dass ich ihnen dabei helfe. Statt dessen schminken sie sich ein grelles Lachen über ihre Narben. Oder sie legen sich einen dicken Panzer aus Bitterkeit zu."

Die Traurigkeit schwieg. Ihr Weinen war erst schwach, dann stärker und schließlich ganz verzweifelt. Die kleine, alte Frau nahm die zusammengesunkene Gestalt tröstend in ihre Arme. Wie weich und sanft sie sich anfühlt, dachte sie und streichelte zärtlich das zitternde Bündel.


"Weine nur, Traurigkeit", flüsterte sie liebevoll, "ruh dich aus, damit du wieder Kraft sammeln kannst. Du sollst von nun an nicht mehr alleine wandern. Ich werde dich begleiten, damit die Mutlosigkeit nicht noch mehr an Macht gewinnt."

Die Traurigkeit hörte auf zu weinen. Sie richtete sich auf und betrachtete erstaunt ihre neue Gefährtin: "Aber...aber - wer bist eigentlich du?"

"Ich?" sagte die kleine Frau schmunzelnd, und dann lächelte sie wieder so unbekümmert wie ein kleines Mädchen. "Ich bin die Hoffnung!"

Da ist ein Land der Lebenden

und ein Land der Toten,

und die Brücke zwischen ihnen

ist die Liebe -

das einzig Bleibende,

der einzige Sinn.


Thornton Wilder

Dienstag, 11. September 2012

Von Babies und Schwangeren

Ich dachte die ganze Zeit ich hätte Angst nach dem ganzen Schlamassel Babies zu sehen oder weinen zu hören, aber dem ist nicht so, ganz im Gegenteil.


Wenn ich Babies sehe macht es mich traurig, weil wir unseres verloren haben bevor es die Welt sehen konnte, aber es macht mich genauso glücklich das pure Leben zu sehen.
Es bringt mich sogar zum Lächeln...


Womit ich nicht umgehen kann sind Schwangere.
Selbst wenn meine beste Freundin mir sagen würde sie sei schwanger, würde ich mich freuen, aber könnte es nicht zeigen.


Es versetzt mir einen Stich Schwangere zu sehen. Es erinnert mich an die einzige kurze Zeit, die ich mit meinem Sohn hatte. Diese paar Wochen, die so schnell vorbei waren, an die glückliche Zeit der Vorfreude und Pläne, die alle plötzlich zerplatzten wie eine Seifenblase... Das tut so weh.


Und selbst wenn ich mich noch so sehr freue für Bekannte oder Freunde, dass sie ein Baby bekommen, fällt es mir so schwer dies zu zeigen. Jedes Wort, jede Info ist an manchen Tagen zu viel....
Ich kämpfe dann mit den Tränen, versuche sie zu unterdrücken und doch gewinnen sie jedes mal. Ich wünsche immer innerlich alles erdenklich Gute, hoffe, dass ihnen nicht das Gleiche passiert, sage aber nichts... Weil ich es nicht kann. Ich bin da wie gelähmt.


Ich kenne den Weg den sie gehen. Ich kenne leider das alternative Ende, dass das Leben schreibt und will es nicht. Ich wollte auch das Happy End.
Und ich will so gern die Zeit zurück drehen, auch wenn ich das Ende der Geschichte kenne, nur um ihn noch einmal zu spüren.
Um es zu geniessen. Um ihm zu sagen wie sehr ich ihn liebe. Um eher ins Krankenhaus zu fahren und es ungeschehen zu machen, auch wenn ich weiß, dass es nicht möglich gewesen wäre. Das sagt mir alles mein Verstand, aber mein Herz schreit danach vor lauter Schmerz. 


Ich hätte ihm so gern die Welt gezeigt und erklärt zusammen mit meinem Mann und dem großen Bruder, doch ich durfte es nicht und es fällt mir so schwer das zu akzeptieren.


Und jeder Babybauch erinnert mich daran, ob ich will oder nicht. Selbst wenn ich die werdende Mama noch so lieb habe, tut es mir unendlich Leid, dass ich die Freude über das neue Leben nicht zeigen kann... Noch nicht...

Donnerstag, 6. September 2012

Donnerstag!

Ich hasse Donnerstage!!


Seit dem 26. Juli hasse ich Donnerstage!!
Da hab ich grundsätzlich schlechte Laune.... Und der Freitag danach ist meist nicht besser.


Heute ist es ganz schlimm seit heute Nachmittag. Alles nervt. Jedes Geräusch, jeder Geruch, einfach alles!


Es ist wieder Donnerstag, es ist wie immer alles scheisse und nichts, aber auch gar nichts kann es besser machen!! 


Ich kann nicht mal fernsehen! Überall sind Babies! ÜBERALL!!!!!!
Mir kommt es auch vor als hätte jede zweite Frau ein Kind bekommen!


Ich seh überall Neugeborene und alle sind so glücklich.


Und dann höre ich, dass Frauen ihre Babies in die Babyklappe legen oder einfach in die Tiefkühltruhe stecken.
Und ich????!!!!!! Ich will und darf es nicht behalten!!!!


Das ist unfair und scheisse und gemein!!!! Das kann doch alles nicht richtig sein und auch keinen Sinn haben!!!!!


Ich bin so unglaublich wütend, ich könnte Sachen schmeissen!!!


Ich will mein Baby!!! Er sollte hier sein und auf meinem Bauch liegen und schlafen.... 


Das musste jetzt mal raus! Weil eben Donnerstag ist.... Und nicht immer alles toll... Auch wenn es nach aussen so scheint und ich mir selber manchmal was vormache...

Mittwoch, 5. September 2012

Es geht weiter!

Nachdem 6 Wochen vergangen sind habe ich nun meinen Alltag halbwegs wiedergefunden.


Ich habe mir die Tage durchgeplant und einen Wochenplan erstellt.
So komme ich nicht ins Grübeln, nichts bleibt liegen und ich renne der Zeit nicht mehr hinter her.
Es füllt mich aus, mein Sohn hat auch Spaß und nichts bleibt liegen und staut sich an, was mich dann ägern könnte.


Und doch nehme ich mir Zeit zu trauern, dann wenn ich sie brauche. Dann bin ich eben nicht erreichbar für jeden und gebe mich meiner Trauer einfach hin.


Ein Tag in der Woche ist vormittags für den Friedhof reserviert. Ich muss einfach mindestens einmal die Woche dort hin meinen kleinen Engel besuchen!


Mal ist es einfach dort hinzugehen und manchmal sehr, sehr schwer. Ich weiß nie wann mich die Welle der tiefen Trauer überschwemmt. 


Kürzlich saß ich im Auto und hab Radio gehört. Ein Lied, dass ich seit 1997 immer mitsinge. Immer. Ich habe den Text so oft gesungen und nie verstanden. Doch in diesem Moment, im Auto, hab ich ihn verstanden.
Und die Welle packte mich und zog mich ganz tief auf den Boden des Ozeans der Trauer.


Ich bin auf einen Parkplatz gefahren und habe nur geweint. So geht es mir mittlerweile ganz oft. Ich nehme Texte anders wahr, höre Musik anders, sehe Filme mit anderen Augen.
Ich sehe die Menschen teilweise anders, sehe in ihren Gesichtern Züge, die ich vorher nie gesehen hatte und weiß nun wer Freund und Feind ist. 


Viele sprechen nicht mehr mit mir oder meiden mich, weil ich nicht in ihre kleine heile Welt passe.
Viele sagen ich würde nicht genug trauern, dabei wissen sie nicht wie es in mir aussieht. Aber auch das ist mir egal.


Früher hätte mich das geärgert. Und jetzt? Ist es mir egal! 


Ich möchte meine Zeit nicht mit Leuten verschwenden, die sich nicht für mich interessieren. Dafür ist das Leben einfach zu kurz.
Wenn sie sich ehrlich für mich interessieren würden, würden sie so etwas nämlich nicht sagen, sondern versuchen zwischen den Zeilen zu lesen und hinter die Fassade zu blicken. 


Ich habe das Glück schon ein Kind zu haben und warum soll ich für ihn nicht stark sein? Warum soll ich mit ihm keinen Spaß haben? Er muss das nicht ausbaden! Er muss nicht mitbekommen was in mir vorgeht. Er wird das alles früh genug erfahren und begreifen warum er keinen Bruder mehr hat.


Ich geniesse jede Sekunde mit diesem Kind. Weil ich es liebe und er mich braucht und das lass ich mir von nichts und niemandem kaputt machen.


Ich habe die ganze Zeit über kein schwarz getragen. Ich wollte und will es nicht. Auch nicht auf der Beerdigung. Ich war bunt angezogen. Mit Schmetterlingen auf meinem Shirt. Weil es mein Sohn war, der beerdigt wurde.
Er hätte nicht gewollt, dass wir alle so trist dort stehen.
Deswegen durfte keiner schwarz tragen. Und es wollte auch keiner schwarz tragen. 


Ich mag es nicht deswegen kritisiert zu werden und dass man mir sagt ich würde nicht genug trauern.
Jeder trauert anders.
Und keiner, der diesen schweren Weg nicht gegangen ist, weiß wie er reagieren und trauern würde.


Ich mag auch diese bemitleidenden Blicke nicht.
Es gibt Frauen, die gucken nur und sagen nichts. Das macht mich wahnsinnig!!!!


Dann gibt es welche, die sagen einfach nichts und reden normal mit einem. Das ist herrlich!
Ich brauche das manchmal so sehr und sie geben mir das Gefühl von Normalität. Das ist in manchen Momenten besser als alles andere.


Und wenn man nicht weiß was man sagen soll, sollte man es lassen und auch die Blicke unterlassen, auch wenn es manchen vielleicht schwer fällt.
Ich weiß, dass viele es nicht böse meinen, aber es kommt sehr merkwürdig rüber. 


Morgen ist es 6 Wochen her.... 6 lange Wochen... Aber ich denke, ich habe einen ganz guten Weg für mich gefunden um wieder in den Alltag zu finden. 

Mittwoch, 29. August 2012

Atemlos

Vor ein paar Tagen ist mir das passiert, wo vor ich noch am meisten Angst hatte.


Ich bin in eine bekannte Mutter reingelaufen, die fast den gleichen Entbindungstermin hatte und ein gesundes Kind auf die Welt gebracht hat.


Das es irgendwann passieren würde wusste ich.
Aber dass es mir morgens auf dem Weg zum Bäcker passiert, war unerwartet.


Es hat mir den Boden unter den Füßen weggerissen. Ich habe sie mit Kinderwagen gesehen, der Schmerz setzte ein, wie ein Messer in meinem Herzen, ich hab sie nicht angeschaut, sondern bin einfach nur weiter gegangen.


Als ich um die Ecke war blieb ich stehen, atmete tief durch, zählte bis 10 und dachte mir, okay, erledige Deine Sachen, fahr nach Hause und dann kannst Du alles rauslassen.
Doch egal wo ich hinschaute und hinging, es waren überall Kinderwagen mit kleinen Babys. Ich wusste nicht mehr was ich wollte. Ich wusste nicht mehr wohin. Ich stand dort, habe mein Handy rausgeholt und meinen Mann angerufen, habe ihm verwirrt und doch einigermaßen ruhig gesagt, was passiert ist.


Ich habe es bis nach Hause geschafft. Dort saß ich dann im Auto, mit dem Kopf auf dem Lenkrad. Wie lange, weiß ich nicht.
Ich habe geweint bis keine Tränen mehr da waren, geschrien bis ich heiser war.


Und dann hab ich vergessen zu atmen. Ich wusste nicht, dass das möglich ist. Es ging einfach nicht mehr. Mein Körper war taub. Einfach nur taub.
Bisher habe ich so was nie geglaubt, dachte das sei eine Erfindung aus Hollywood-Filmen oder Büchern. Aber so etwas gibt es.
Irgendwann brauchte mein Körper Sauerstoff und ich hatte das Gefühl des Ertrinkens an der Luft. Ich musste atmen. Mein Gehirn hat das wohl einfach so beschlossen. Das Taubheitsgefühl blieb für eine Weile. 


Im Laufe des Tages habe ich einigermaßen funktioniert, weil ich musste. Abends kam der Schmerz wieder.
Ich hab nichts mehr gespürt und doch tat mir alles weh. Das atmen war schwer. Sehr schwer.
In mir herrschte nur eine große Leere. Nichts half. Ich bin dann irgendwann einfach eingeschlafen und am nächsten morgen aufgewacht als hätte ich eine ganze Nacht gesoffen. 


Aber jetzt habe ich auch diese Hürde gemeistert. Wenn ich ihr jetzt begegne, ist es nicht mehr so schlimm.
Der Schmerz ist da, aber er lähmt mich nicht. 


Der Weg, den ich gehen muss ist für Außenstehende sehr schwer nachvollziehbar.
Verstehen können ihn nur Eltern und Mütter, die ihn selber gehen musste.


Deswegen schreibe ich darüber, um Außenstehenden zu erläutern, jedenfalls ein bißchen, wie wir Sternenkind-Eltern uns fühlen.
Viele sind sehr dankbar für die Offenheit, können vieles besser verstehen, sehen uns mit anderen Augen.


Und manche verschließen die Augen davor und wollen das nicht hören, weil es nicht in ihr Weltbild passt. Aber auch das ist verständlich.
Es bringt in vielen Frauen eine Angst ans Tageslicht: Die Angst, dass auch ihnen das passieren könnte und wie es ohne ihr Kind wäre.
Ich nehme ihnen das nicht übel, sie meinen es nicht böse.... 

Donnerstag, 23. August 2012

4 Wochen...

Heute ist es 4 Wochen her.
Unser kleiner Engel wäre heute also einen Monat alt.
Die Zeit rast, ich renne hinter her, immer noch etwas gelähmt und weltfremd. Immerhin kann ich nachts mittlerweile relativ gut schlafen und auch sein Zimmer betreten ohne sofort in Tränen auszubrechen.


Ich habe heute sogar den Mut gehabt seine Ultraschallbilder zu sortieren und dabei anzusehen. Es war schwer und tat unendlich weh, aber auch gut. 


Wir haben auch richtige Bilder von ihm machen lassen. Das wurde uns im Krankenhaus sofort angeboten von einer ganz lieben Hebamme. Sie hat sehr schöne Fotos gemacht, sofern das möglich war. 


Ich war erst skeptisch, ob ich Bilder haben will. Ich wusste es nicht. Mein Kopf schrie als erstes NEIN! Eine Bekannte, die leider durch das gleiche Schicksal musste und immer noch muss, hat mir geraten welche machen zu lassen. Ich bin ihr dafür unendlich dankbar.


Ich habe die Fotos bis jetzt immer noch verschlossen in einem Umschlag. Ich wage es noch nicht reinzuschauen, aber ich weiß, dass der Tag kommen wird an dem ich das brauche. Für mich. Auch wenn es unglaublich weh tun wird. Die Erinnerung an sein Gesicht verblasst mit der Zeit, auch wenn ich sie so gern festhalten würde. Er sah so friedlich aus....Als würde er lächeln. Feine Gesichtszüge, zu fein für diese Welt, wie ein Engel ohne Flügel.


Es sah aus als würde er gleich die Augen aufmachen und uns fragend anschauen, warum wir weinen. Er gehörte nicht in diese Welt. Nach und nach sackt die Tatsache, dass es einfach so sein sollte und ich nehme es so hin.

Es gibt eine Initiative in den USA, die es ermöglicht professionelle Fotos von stillgeborenen Kindern zu machen. Auch in Deutschland ist dies bereits möglich - nur leider viel zu selten, da es noch zu unbekannt ist. Es gibt eine Organisation, die versucht Fotografen zu finden, die sich bereit erklären Fotos von unseren Sternenkindern zu machen. 
Wer mehr Infos darüber haben möchte kann gerne hier schauen: 

http://www.facebook.com/pages/Förderung-von-Nilmdts-in-Deutschland/201464126576274

https://www.nowilaymedowntosleep.org

Falls einer von Euch Fotografen kennt, sprecht sie bitte darauf an. 


Ich hätte mir gewünscht vorher etwas davon zu wissen. Ich habe zwar Bilder, aber sie sind nicht so schön, wie sie hätten sein können, wenn man so einen Fotografen gehabt hätte.


Ich wünsche es jeder Mutter und allen Eltern, die diesen schweren Weg gehen müssen, dass sie wenigstens ein schönes Foto haben, auch wenn das im ersten Moment total absurd klingt.